Die Abgehobenen

Montag,
18
.11.
2019
 
Wien
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Wie die Populisten vom Hass auf die Eliten profitieren, darüber diskutierten der Elitenforscher Michael Hartmann, em. Professor für Soziologie an der Technischen Universität Darmstadt, die Autorin und Publizistin Barbara Blaha, Gründerin des Momentum Institutes, einem Think Tank der Vielen, sowie die beiden JournalistInnen Rainer Nowak, Herausgeber und Chefredakteur der Tageszeitung Die Presse, und Christa Zöchling, Redakteurin beim Nachrichtenmagazin Profil.

Das Thema Eliten durchdringt, abseits der pannonischen Eliten, die den linken Eliten in Wien etwas ausrichten, die aktuelle politische Diskussion, sei es die Frage des Vertrauens in politische Akteure, sei es aber auch die Frage der sozialen Durchlässigkeit gesellschaftlicher Strukturen. Für Populisten gilt nur die pauschale Kritik von „den Eliten“ und „dem Volk“, dem gilt es einen sachlichen Diskurs entgegenzusetzen. Der Begriff Elite ist vorwiegend negativ besetzt, per Definition sind es Menschen, die über Macht verfügen und durch Entscheidungen gesellschaftliche Entwicklungen maßgeblich beeinflussen können. Das Verhältnis von Eliten und Demokratie, wie dieses künftig gestaltet wird, ist zentral für die Entwicklung sowie die Perspektiven einer modernen Gesellschaft. Michael Hartmann erklärte, wer die Elite ist und wer wie zur Elite gezählt werden kann. In Deutschland handelt es sich um rund 4.000, in Österreich um etwa 1.000 Menschen, grob gesagt besteht die Elite zu 40 Prozent aus der Wirtschaft, zu 40 Prozent aus dem Staat und aus einem kleinen, buntgemischten Rest. Man muss in hohen Positionen in Politik, Wirtschaft, Justiz oder Verwaltung sein, konkret gehören Vorstandsmitglieder und Aufsichtsräte in der Wirtschaft, Chefredakteure und Herausgeber in den Medien, Mitglieder der Bundes- und Landesregierungen, hohe Beamte wie Sektionschefs in Politik und Verwaltung, Verfassungsrichter und andere Höchstrichter in der Justiz der Elite an. „Die Elite rekrutiert bevorzugt Menschen, die so sind wie sie selbst“, das obere Bürgertum gilt als Rekrutierungsfeld der Eliten. Wesentlich ist laut dem Elitenforscher deren Rekrutierung, aus welchen sozialen Schichten Elitenakteure stammen und welche gesellschaftlichen Interessen diese widerspiegeln. Er kommt in Hinblick auf die soziale Ungleichheit zu einem Schluss, dass es ein Problem gibt, wie diese Rekrutierungs- und Aufstiegsprozesse geschehen. Die Eliten haben sich nicht nur durch ihre soziale Herkunft und ihre Lebenswirklichkeit, sondern auch durch ihr Denken und Handeln von der Bevölkerung entfernt. Wenn Eliten die Interessen der Bevölkerung nicht mehr repräsentieren, dann ergeben sich hieraus Konsequenzen für das Funktionieren einer Demokratie. „Es gibt nicht nur ein Gefühl, abgehängt zu sein, das Gefühl hat eine reale Grundlage“. Die Wahrscheinlichkeit ist aus Sicht des Elitesoziologen umso größer, dass die Probleme der Menschen auch behoben werden, desto mehr Menschen Entscheidungen treffen, die aufgrund ihrer Herkunft die Probleme der Bevölkerung verstehen und plädierte auch angesichts des Mitgliederanteils der ArbeiterInnen in der SPD und bei den Grünen für eine Quote für Arbeiterkinder. Da nicht nur in Unternehmen, sondern auch in den Parteien der soziale Aufstieg schwieriger geworden ist, es beinahe unmöglich ist, von unten in die obersten Positionen aufzusteigen, gilt es einiges zu tun, um das Modell der Ähnlichkeit, wonach die Elite auswählt, stärker zu durchbrechen. Barbara Blaha ging anhand des noch jungen Momentum Institutes auf die Rolle von Think Tanks, ob diese einen elitären Anspruch stellen müssen, um sich bei den politischen EntscheidungsträgerInnen Gehör zu verschaffen, sowie auf ihre Erfahrungen ein, wie man mit der Arbeit eines „Think Tanks für die Vielen“ eine gesellschaftliche Vision damit verbinden kann. Da in der öffentlichen Wahrnehmung „die Reichen“, „die Intellektuellen“, „die Politiker“ oder alle zusammen als Elite gelten, bilden „die da oben“ gemeinsam mit dem „kleinen Mann“ oft das Gegensatzpaar in politischen Diskussionen. Diverse Studien zeigen, dass die soziale Herkunft bis heute maßgeblich entscheidet, welche Möglichkeiten Menschen in ihrem Leben haben und damit, wer letztlich zur Elite gehört und wer nicht. Die Germanistin ging darauf ein, ob ein Bewusstsein um die soziale Schieflage in der Gesellschaft gegen Populismus immunisieren kann. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Intellektuellen und diejenigen, denen gesellschaftlich zugebilligt wird, intellektuell zu sein. Gut gebildete Menschen verfügen am ehesten über das geistige Rüstzeug zur Befreiung der Menschen, Visionen Intellektueller können eine unglaubliche Macht im Positiven entfalten. Die demokratische Verantwortung oder eine Hauptaufgabe der Intellektuellen besteht darin, Orientierung zu geben und aus der Erforschung von Vorgängen in Natur und Gesellschaft, um daraus eine Verbesserung des Allgemeinwohls abzuleiten, konzisere Entscheidungsgrundlagen zu schaffen, da alle in Folge entscheiden. Trotz Demut vor der Entscheidung darf es am Mut nicht fehlen, da auch Mehrheiten irren können. „Ich zahle gerne Steuern. Damit kauf‘ ich mir Zivilisation“, wurde in weiterer Folge ein vermögender Unternehmer von ihr zitiert. Die Rechtspopulisten gewinnen dort, wo es um die Verteilungsfragen geht. Relevant ist, dass im, von Eliten bespielten, verteilungspolitischen Diskurs die sozialen und wirtschaftlichen Interessen der breiten Mehrheit den Maßstab bilden. Es geht nicht nur darum, dass die Nöte und Ängste der Menschen verstanden werden, sondern auch um eine ernsthafte und kritische Auseinandersetzung über komplexe Fragen, die fakten- und lösungsorientiert erfolgen muss. In diesem demokratischen Prozess geht es um die Selbstermächtigung und die Bereitschaft, diese auch anderen zuzugestehen. Dies sollte in dem Bewusstsein passieren, dass davon am Ende alle profitieren. Rainer Nowak thematisierte im Zeitalter von „Fake News“ und anhaltender Kritik an den Medien, wo etwa auch die Rede von „Systemmedien“ ist und eine objektive Berichterstattung schon von vornherein ausgeschlossen wird, unter welchem erhöhten Legitimationsdruck die Medieneliten, die Herausgeber von Zeitungen und jene, die die inhaltliche Linie von Medienprodukten maßgeblich bestimmen, stehen. Die scharfe Kritik an die Eliten wird nicht wie in den 1960er-Jahren von links, sondern von Rechtspopulisten und Neokonservativen vorgetragen, der Chefredakteur erkennt in dem Versuch von rechtspopulistischen Parteien, eine Form von Revolutionsstimmung, ein Feindbild aufzubauen, nichts anderes als den Versuch, mit der Kritik an der Elite selbst ein Teil davon zu werden. Die Rechtspopulisten möchten das System ändern und nennen es Elite oder Establishment. Nichtsdestoweniger ist eine Grundstimmung gefährlich, besser nicht wissen, was passieren wird, als dass weiterhin passiert, was man bereits kennt. Der Herausgeber bemerkte, dass Menschen, die zur Elite zählen, ihr Verhalten ändern und es gewisse Ängste gibt, als abgehoben zu gelten. Ohne wie ein Neos-Politiker klingen zu wollen, schlug der Chefredakteur vor, um den Vorbehalten gegenüber Eliten entgegenzuwirken, den Menschen bei den Themen Bildung, Vermögensbildung und Beruf eine Perspektive zu bieten. Die Aufgabe der Politik ist es, unterschiedliche Bedürfnisse, da auch die Probleme unterschiedlich gelagert sind, wahrzunehmen, wechselseitig zu erkennen und entsprechende Lösungen anzubieten. Christa Zöchling ging auf das Problem der Rechtspopulisten ein, dass Egalität beschworen wird, indem sie von der Dichtomie von dem „Wir“ oder „dem Volk“ und „den Eliten“ oder „denen da oben“ ihre Botschaften formulieren, gleichzeitig aber sich selbst aber immer wieder in einem Umfeld vorfinden, was als klassisch elitär, abgehoben oder Politik des Hinterzimmers gebrandmarkt ist. In der Recherchearbeit, wie etwa das Ibiza-Video zeigte, ging die Redakteurin auf die investigative Recherchearbeit des Journalist ein und dessen Rolle als einer mahnenden Instanz beim Aufklären von Schieflagen zwischen den politischen Werten und dem Handeln von Eliteakteuren. Die Gesellschaft, vor allem in Österreich, steht vor dem Problem, dass die Eliten nichts mehr gelten. In einer freien Gesellschaft müssen führende Eliten aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur und Wissenschaft in der Sache und nicht, weil sie Eliten sind, kritisiert werden. Es wäre hilfreich zwischen echten Eliten, die Verantwortung tragen und Macht haben, und Eliten, die sich um Eliten scharen, zu differenzieren, die nach Pierre Bourdieu der ohnmächtige Teil der herrschenden Klasse sind. Der Antagonismus „Volk“ und „Elite ist aber ein uraltes Thema, die klassische Elitentheorie ging davon aus, dass die Einbeziehung der ungebildeten Arbeiterschaft in Entscheidungsprozesse der Demokratie schadet, da dies zur „Verrohung des öffentlichen Lebens“ führt. Den Ausweg aus dem demokratischen Dilemma, da nicht nur Gebildete das Staatsleben bestimmen sollten, darin, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgehen solle, obwohl dieses Volk nicht ausreichend informiert sei, im Konzept der „Veredelung“ des Volkswillens durch die Eliten. Erich Fromm beschrieb einen autoritären Charakter wie folgt: „Die Unfähigkeit, auf sich selbst zu stehen, unabhängig zu sein oder die Freiheit zu ertragen.“ Das Eliten-Bashing ist ein Krisenphänomen, laut der Autorin stellt die FPÖ KünstlerInnen und Intellektuelle als Erstes an den Pranger, da diese nicht zurückschlagen können. Wer sich ein Bild über seinen Platz in der Gesellschaft machen, sich vergleichen kann, wird auch Solidarität entwickeln.

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