‚No More Bullshit‘ in besserer Gesellschaft: Im Gespräch mit Gerhard Haderer, Angelika Hager, Martina Schöggl und Laura Wiesböck

100 Jahre Frauenwahlrecht, der selbstgerechte Blick auf die Anderen, eine Safari durch die männliche Psyche, warum der Feminismus auf die Schnauze gefallen ist und uns das Retro-Weibchen beschert hat?
Bildung, Kultur und Medien • Frauen und Gender • Innen- und Kommunalpolitik
Wien
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Gesellschaft für Geistes- und Sozialwissenschaften
Vereinigung Sozialdemokratischer Universitäts- und FachhochschullehrerInnen
Mittwoch,
7
.11.
2018
18.30 Uhr

BSA-Generalsekretariat

1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16, 3. Stock

Gerhard Haderer (Karikaturist und Gründer der Denkwerkstatt "Schule des Ungehorsams")

Angelika Hager (Journalistin beim Nachrichtenmagazin Profil und Autorin des Buches "Kerls!")

Martina Schöggl, B.A. (Obfrau des Frauennetzwerkes "The Sorority" und Herausgeberin des Buches "No more Bullshit - Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten")

Dr.in Laura Wiesböck, M.A. (Soziologin und Autorin des Buches "In besserer Gesellschaft")

 

Das Frauenwahlrecht wurde in Österreich mit dem Gesetz über die Staats- und Regierungsform vom 12. November 1918 eingeführt, vor 100 Jahren durften Frau zum ersten Mal aktiv wählen respektive passiv gewählt werden. Mit der Revolution von 1848 wurde die Idee von der durch ihren Mann vertretenen Frau immer mehr in Frage gestellt, doch mussten sich Frauen, da ihnen die Gründung von politischen Vereinen untersagt war, in Bildungsvereinen organisieren. Am 16. Februar 1919 zogen zum ersten Mal acht Frauen in das österreichische Parlament ein, 1945 wurde Helene Postranecky Unterstaatsekretärin und war damit die erste Frau, die einer Bundesregierung angehörte, 1966 folgte mit Grete Rehor die erste Bundesministerin. 1979 wurde das Staatssekretariat für allgemeine Frauenfragen etabliert, welches Johanna Dohnal leitete, und 1990 in das Bundesministerium für Frauenangelegenheiten umgewandelt. Als erste Partei nahm die SPÖ 1985 die Idee der Frauenquote auf, die ÖVP folgte rund zehn Jahre später, die FPÖ bis heute nicht.

Obwohl Österreich auf diverse Meilensteine in der Politikgeschichte der Frau zurückblicken kann, zeigt sich, dass die Annahme, wonach in einer aufklärten Gesellschaft alle gleich sind, zum Stolperstein werden kann. Hartnäckige Vorurteile rund um Feminismus und Geschlechterrollen halten sich, wenn Menschen aufgrund von Identitätsmerkmalen herabgewürdigt werden. Die weltweite MeToo-Debatte hat den tiefen Fall prominenter Männer ausgelöst. Das Image des Mannes wirkt lädiert, die Definition von Männlichkeit muss nach jenem Diskurs neu gestaltet werden. Eine Aussage oder ein Argument zum „Bullshit“ zu erklären, ist eine starke Geste. Diese kann die Stimmung in Diskussionen innerhalb von Sekunden auf den Gefrierpunkt fallen lassen oder auf Maximaltemperatur anheizen. Das Wort ist kein diplomatischer Vermittler, kein wissenschaftlicher Terminus und keine Argumentationsgrundlage. Gerade am Stammtisch, in Online-Foren, beim Familienfest oder am Arbeitsplatz halten sich Argumente oder vielmehr Pseudo-Weisheiten, die meist jeder wissenschaftlichen Grundlage entbehren, besonders hartnäckig. Viele davon sind sexistisch, rassistisch oder klassifizierend und führen nicht selten zu Sprachlosigkeit. Klassische Stammtischparolen sind pauschalisierend, vereinfachend und verkürzend, oft werden andere Menschen abgewertet. Die Stammtischweisheiten sind in ihrem Selbstverständnis allerdings keine Meinungen, sondern unantastbare Wahrheiten, deren Gültigkeit man sich gegenseitig bestätigt. In Diskussionen mit Andersdenkenden ist es wichtig, nicht moralisierend, belehrend oder bewertend aufzutreten, sondern mit Offenheit und Interesse zuzuhören, obgleich das bei vielen Menschen auf den ersten Blick Irritationen auslösen mag. Hilfreich ist, den Versuch zu wagen, in einen ernsthaften Dialog zu treten, sich nicht provozieren zu lassen, gegensätzliche Meinungen auszuhalten, zu reagieren, aber nicht immer sofort reagieren zu müssen. Es lohnt sich auf „blöde“ Spruche einzugehen, denn die Auseinandersetzungen können auch zu Chancen des Umdenkens werden.

Mit unseren Gästen möchten wir verschiedenste Fragestellungen gemeinsam vertiefen: Wie lässt sich eine gleichberechtigte Zukunft gemeinsam erreichen? Wie lassen sich Autonomie und Solidarität leben und weitertragen? Sind Menschen in Wirklichkeit bestrebt, sich gegenüber anderen Menschen, Bevölkerungsgruppen, Denkmustern und Verhaltensweisen abzugrenzen? Sind diese Mechanismen, ob Frau oder Mann, jung oder alt, stark oder schwach, arm oder reich, ungeachtet der sozialen Stellung, Religion oder Nation immer dieselben? Pochen weniger Privilegierte auf ihren ehrlichen Status als „Hackler“ und wettern gegen die Schnösel „da oben“? Schüttelt das Bildungsbürgertum pikiert den Kopf über WählerInnen rechtspopulistischer Parteien und bestellt mit wohligem Gefühl das Bio-Kisterl? Wie wird Konsumverhalten zum Statussymbol, der Beruf zur Identität und politische Andersartigkeit zum Feindbild? Wie kann man hartnäckige Vorurteile rund um Feminismus sowie Geschlechterrollen hinterfragen und widerlegen, um einen neuen Diskurs zu schaffen? Kann ein simples „Bullshit“ auf Phrasen wie „Der Pay Gap ist ein Mythos“ oder „Qualität statt Quote“ der Gesprächskultur etwas Gutes tun? Warum kann es trotzdem ein Gewinn sein, Einspruch zu erheben und schließlich aufzuklären? Welche Argumentationshilfen gibt es für die gängigsten Floskeln, um diese mit Wissenschaft, Statistiken und Humor feinsäuberlich zu widerlegen? Wie verliert man dabei nicht die Nerven oder das eigene Gesicht? Wie ist es möglich, Zivilcourage zu lernen, sozialen Mut zu trainieren, öffentliches Eintreten für Werte wie Gerechtigkeit, Toleranz und Solidarität zu fördern? Wie können Selbstbestimmung, Gleichstellung, soziale Sicherheit, wirtschaftliche und politische Teilhabe, Chancengleichheit für Frauen und Männer erreicht werden?

Aus organisatorischen Gründen wird höflich um Anmeldung(en) per Mail unter doebling@bsa.at gebeten.