Im Gespräch mit Nina Horaczek, Lukas Resetarits, Katharina Stemberger und Ruth Wodak

Der Aufstieg und die Strategien von Rechtspopulisten – Wie funktionieren die Politik der Angst und die bewussten Entgleisungen von Strache und Co.?
Bildung, Kultur und Medien • Europa und Internationales • Innen- und Kommunalpolitik
Wien
BSA Döbling
BSA EU-Gruppe
Bundesfachgruppe Medienberufe im BSA
Gesellschaft für Geistes- und Sozialwissenschaften
Vereinigung sozialdemokratischer Angehöriger in Gesundheits- und Sozialberufen
Mittwoch,
9
.3.
2016
18.30 Uhr

BSA-Generalsekretariat

1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16, 3. Stock

Mag.a Nina Horaczek (Politikwissenschaftlerin, Chefreporterin bei der Wiener Stadtzeitung Falter und Buchautorin "Handbuch gegen Vorurteile")

Lukas Resetarits (Kabarettist)

Katharina Stemberger (Schauspielerin und Produzentin)

Univ.-Prof.in Dr.in Ruth Wodak (Sozialwissenschaftlerin an den Universitäten Wien und Lancaster (UK), Buchautorin "Die Politik der Angst")

Nicht nur in Österreich, sondern in weiten Teilen Europas sind rechtspopulistische, rechtsextreme Parteien auf dem Vormarsch. Was vor Jahrzehnten noch eine Randerscheinung war, ist heute in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Wenn rechte PolitikerInnen Hasstiraden voll Halbwahrheiten und Hetze loslassen, tobt das meist kleinbürgerliche Publikum vor Begeisterung, aber auch gemäßigte Angehörige der Mittelschicht sprechen nur noch mit einer Mischung aus Verzweiflung und Verachtung von den Regierenden. In Internetforen kursieren sehr viele Hasspostings, abstruse Verschwörungstheorien und apokalyptische Zukunftsvorstellungen. RechtspopulistInnen verletzen durch ihre Aussagen gesellschaftlich anerkannte Normen, sehen sich selbst ungerechtfertigt verfolgt und Vorwürfen ausgesetzt. Manchmal folgt eine „Quasi-Entschuldigung“, wonach die Aussagen falsch verstanden wurden, manchmal wird mit Meinungsfreiheit argumentiert oder eine Verschwörung gegen jene rechtspopulistischen PolitikerInnen in den Raum gestellt.
 
Nicht nur die Rhetorik, sondern das Zusammenspiel von Form und Inhalt spielt eine große Rolle, neben verschiedenen Faktoren, die den Aufstieg von Rechtspopulisten begünstigen, wie Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise, hohe Arbeitslosigkeit, schwächelnde Wirtschaftsdaten, steigende Migration, der Einfluss unterschiedlicher Vergangenheiten einzelner Länder mit einer kolonialen oder faschistischen Vergangenheit, ob diese im Zweiten Weltkrieg Sieger oder Besiegte waren, eine stark nationalistische Identitätspolitik. Rechtspopulistische Parteien verschärfen das Bedrohungsgefühl und schüren Angst, um ihre restriktive Politik implementieren zu können. Ziele, welche jene Rhetorik verfolgt, sind dichtgemachte Grenze, segregierte Schulklassen, das Forcieren der Muttersprache, um den Nationalstaat zu schützen oder ein angeblich homogenes Abendland zu retten. Alle RechtspopulistInnen nutzen eine gewisse ethnische, religiöse, linguistische oder politische Minderheit als Sündenbock für die meisten aktuellen Probleme und konstruieren daraus eine Gefährdung. Der „echte Österreicher“, der aufgrund seiner Geburt der jeweiligen Nation angehört, erlebt, was von außen kommt, als eine Bedrohung. Der „Wohlstandschauvinismus“, das Erreichte zu schützen, bereitet den Boden für Ängste, dass einem von Fremden etwas weggenommen wird. Diese Angst vor dem Fremden wird erweckt und kultiviert, der Weg für eine Verbreitung einer meistens codiert fremdenfeindlichen, rassistischen, ausschließenden, anti-intellektuellen und anti-elitären Politik wurde geebnet.
 
Die Gesellschaft erlebt eine Polarisierung, aber keinen Mentalitätswandel. Es gibt zwei Lager in Österreich, die wenig oder gar nichts miteinander gemeinsam haben, dazwischen noch viele Menschen, die weder islamophob noch antisemitisch oder fremdenfeindlich sind, jedoch diffuse Ängste haben. Die Zivilgesellschaft war bei der Bildung der schwarzblauen Koalition im Jahr 2000 und in der Waldheim-Debatte im Jahr 1986 sichtbar, mit dem sozialen Elend der Menschen auf der Flucht wurde diese Zivilgesellschaft neuerlich aktiviert. Die Flüchtlingsfrage polarisiert, die Menschen mussten als Sündenböcke dienen. Anstatt Politik zu machen, hecheln die Parteien den Ereignissen hinterher. Anstatt eigene Themen zu setzen und ihre Programme zu präsentieren, sind die Regierenden durch die inszenierten Eskalationen in die Position des Reagierenden gezwungen. Die Dynamik und die Intention der RechtspopulistInnen wären herauszuarbeiten. Es fehlt an Differenzierung, zumal in einer schnelllebigen Gesellschaft komplexe Themen keinen Platz haben. 
 
Wir möchten mit namhaften MeinungsträgerInnen gemeinsam verschiedenste Fragestellungen diskutieren: Welche Ziele verfolgt die Politik der Angst neben einer Stimmenmaximierung? Was ist der eigentliche Zweck dieser Politik? Durch welche Dimensionen kann man Rechtspopulismus charakterisieren? Fehlt nicht populistischen Parteien die Gefühlsebene? Warum sehen Menschen darüber hinweg, dass RechtspopulistInnen Unwahrheiten sagen? Warum reicht das rechtspopulistische Rezept aus, ein Katastrophenszenario herbeizuschwören und gegen Reform zu wettern, ohne vernünftige Gegenrezepte zu präsentieren? Welche Strategien wenden rechtspopulistische Parteien an, um in Medien präsent zu sein? Wie werden sowohl Menschen mit tatsächlichen Vorurteilen als auch jene, die von Zufall und der ungerechtfertigten Verfolgung des Spitzenkandidaten ausgehen, angesprochen? Welche Dynamik erlaubt es RechtspopulistInnen, Themen vorzugeben, Medien und Öffentlichkeit von anderen wichtigen Nachrichten abzulenken? Warum ist die rechte Kommunikation durch provozierte Skandale, die Täter-Opfer-Umkehr, die erzeugte Angst vor dem Fremden erfolgreich? Sollen „Mainstream“-PolitikerInnen nicht mehr auf rechtspopulistische Aussagen reagieren? Wie kann eine alternative Berichterstattung aussehen, die nicht auf Skandale, sondern auf die Dekonstruktion solcher PolitikerInnen konzentriert? Warum sind Frauen in rechtspopulistischen Parteien stark unterrepräsentiert? Wie differenzieren sich links- und rechtspopulistische Parteien in Form und Inhalt? Warum bedienen sich konservative oder sozialdemokratische PolitikerInnen manche dieser Strategien in der Hoffnung, WählerInnen zurückzugewinnen, die das Vertrauen in die Großparteien verloren haben? Welche Beispiele zeigen, dass das ein großer Irrtum ist?
 

Aus organisatorischen Gründen wird unter doebling@bsa.at höflich um eine kurze Anmeldung ersucht.