„A Waunsinn normal“, sagte Hans Orsolics angesichts eines Lebens, in dem der ehemalige Boxer viel erlebt hat. An das Fazit, welches gelernte ÖsterreicherInnen kennen, könnte man sich erinnern, da in der Politik in Österreich derzeit über das „Normale“ und verschiedene Gegenpole diskutiert wird. Scheindebatten darüber, was normal ist und was nicht, werden Österreich nicht weiterhelfen, während das Land im internationalen Vergleich abrutscht, die Wettbewerbsfähigkeit sinkt, die Inflation bleibt zu hoch. Die ÖVP hielt sich früher einmal für eine bürgerliche Partei, das Bürgertum war im 18. Jahrhundert gezwungen, strategische Bündnisse mit KünstlerInnen und DenkerInnen einzugehen. Die gesellschaftspolitische Bedeutung der Kunst mit Recht ständig zu betonen und gleichzeitig von jeder Politik trennen zu wollen, wirkt wie Heuchelei. Die Trennung der Bevölkerung in normale und andere Menschen ist nicht nur ein grundsätzliches gesellschaftliches Problem, sondern kann auch fatale Folgen haben. Eine Gesellschaft braucht die breite Mehrheit der vermeintlich „Normalen“, aber in einer Mischung aus Stabilität und Dynamik auch die Menschen, welche die Normen brechen. Die „Normalität“ wird zum Kampfbegriff der Politik, dabei sind es Andersdenkende, die Normen hinterfragen, mit Gewohnheiten brechen und die Gesellschaft vorantreiben.
„Normal ist, morgens aufzustehen und seinen Job zu machen, normal ist eine Heimat, sind sichere Grenzen, ja, und normal ist auch Deutschland“ heißt es in betont harmonistisch inszenierten Kampagnenvideos der AfD mit jeder Menge Deutungen eines neuen Leitbegriffs. Hier die „Normalen“, dort die „Abnormalen“, hier das „Wir“, dort „die anderen“, statt ernsthafter Politik bekommen die Menschen in Österreich dümmliche Schlagworte vorgesetzt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat die drei größeren Parlamentsparteien davor gewarnt, den politischen Diskurs auf eine gefährliche Ebene zu verschieben. Angesichts guter Umfragewerte und jüngster Wahlerfolge links und rechts wie etwa der FPÖ in Niederösterreich und der KPÖ in Graz und Salzburg sucht die ÖVP das politische Heil in der „Mitte der Gesellschaft“. Johanna Mikl-Leitner, Karl Nehammer und die ÖVP sind mit diesem Versuch in Europa nicht alleine, das geografisch am nächsten liegende Beispiel ist in Deutschland bei einer Partei zu finden, die keine christlich-sozialen Wurzeln wie die ÖVP hat, sondern die laut dem Verfassungsschutz Anlass zur Beobachtung rechtsextremer Umtriebe gibt. Der Vizekanzler bezeichnete das Buhlen um „die große Mehrheit der Normaldenkenden“, wie diese Niederösterreichs Landeshauptfrau nennt, als „präfaschistoid und brandgefährlich“.