Inland: Die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus - Im Gespräch mit Ulli Gladik, Willi Mernyi, Günther Ogris, Stefan Verra und Christa Zöchling

Wie kann man nur mit FPÖ-Wählern reden, Hetzer stoppen, Demagogen entzaubern, Propaganda entlarven und Vorurteile entkräften?
Bildung, Kultur und Medien • Innen- und Kommunalpolitik • Wirtschaft und Arbeit
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Bundesfachgruppe Medienberufe im BSA
Vereinigung Sozialdemokratischer Universitäts- und FachhochschullehrerInnen
Dienstag,
3
.9.
2019
18.30 Uhr

BSA-Generalsekretariat

1010 Wien, Landesgerichtsstraße 16, 3. Stock

Ulli Gladik (freischaffende Filmemacherin und Regisseurin des Dokumentarfilms "Inland - Begegnungen jenseits der Spaltung")

Willi Mernyi (Vorsitzender des Mauthausen Komitees Österreich, Leitender Sekretär des ÖGB für Organisation und Buchautor "Hetzer stoppen - Propaganda entlarven - Vorurteile entkräften")

Günther Ogris, MA (Sozialforscher und Politikberater, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter, SORA Institute for Social Research and Analysis)

Stefan Verra (Körpersprache-Experte und Buchautor "Leithammel sind auch nur Menschen - Die Körpersprache der Mächtigen")

Christa Zöchling (Journalistin beim Nachrichtenmagazin Profil mit publizistischen Schwerpunkten zu den Themen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus sowie Buchautorin "Jörg Haider - Licht und Schatten einer Karriere")

„Nicht bemitleiden, nicht auslachen, nicht verabscheuen, sondern verstehen“, lautet das Motto des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, die Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus ist eine der entscheidenden Fragen nicht nur vor der Nationalratswahl 2019. Die Stimmung bewegte sich bei der Nationalratswahl 2017 generell in Richtung rechts, was auch am Wahlkampf lag, der sehr stark auf Ressentiments abzielte. Was von Sebastian Kurz wie von der FPÖ gefordert wurde, ist in die politische Mitte eingesickert und wurde mehrheitsfähig. Das zentrale Versprechen, dass mit Leistung ein, wenngleich langsamer, sozialer Aufstieg zu schaffen ist, haben viele Menschen verinnerlicht, die sich in einer Warteschlange sehen, in der es keine Bewegung mehr gibt und die sich nicht verkürzt. Entfesselte Globalisierung, gesteigerte Konkurrenz und Flexibilisierungsdruck am Arbeitsplatz erzeugen auch bei Menschen in gut abgesicherten Lebensverhältnissen Ängste. Das Versprechen funktioniert nicht mehr, das Vertrauen in die politischen Vertretungen schwindet.  Gleichzeit meinen die Menschen wahrzunehmen, wie sich andere, etwa MigrantInnen, vordrängeln, ohne sich hinten anzustellen. Das wird als unfairer Wettbewerb empfunden und ihr subjektives Gerechtigkeitsempfinden dadurch verletzt. Knittelfeld und Ibiza werden nicht zum endgültigen Niedergang der FPÖ führen, vielmehr bedarf es eines anderen Umgangs mit Rechtspopulismus. Der Rechtspopulismus gibt vor, die Menschen zu verstehen, und füllt die Lücke mit rassistischen, nationalistischen und menschenverachtenden Inhalten. Es braucht eine Diskussion, die nicht rechthaberisch nur die eigenen Positionen bestätigt, sondern neue Wege eröffnet. Wenn man an ressentimentgeladenen Denunzierungsdiskursen festhält, dann wird nicht nur die Anbindung dieser WählerInnen an die FPÖ verstärkt, sondern eine Gefahr, in einem politischen System aufzuwachen, welches die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright als Faschismus bezeichnet. Wesentlich ist, die Enttäuschung, die zu Rückzug oder Wechsel führen kann, zu verstehen, denn diese bleibt trotz der FPÖ-Skandale bestehen. Das schließt auch den Dialog mit einem Teil der FPÖ-Wählerschaft ein, ohne Zugeständnisse an rassistische Deutungsmuster oder dehumanisierende Migrationspolitik zu machen, wie dies einige PolitikerInnen von SPÖ und ÖVP vorführen. Das Phänomen des Rechtspopulismus kann man nicht ausschließlich auf die soziale Lage und auf die „Abgehängten“ reduzieren, aber ohne die glaubwürdige Bekämpfung der Ungerechtigkeit und die Lösung sozialer Fragen wird man den Rechtspopulismus weder eindämmen noch loswerden.

 

Gemeinsam mit unseren Gästen möchten wir verschiedene Fragestellungen gemeinsam vertiefen: Welches Bild lässt sich von einer sich im Umbruch befindlichen Gesellschaft, von Ängsten und Gesinnungen zeichnen? Welche Rolle spielt dabei das vom deutschen Soziologen Wilhelm Heitmayer als „rohe Bürgerlichkeit“ bezeichnete Zusammenspiel von glatter Stilfassade, vornehm rabiater Rhetorik sowie autoritären, aggressiven Einstellungen und Haltungen? Sind typische FPÖ-WählerInnen leicht auszumachen? Sind potenzielle FPÖ-WählerInnen an sozialen Rändern, in ehemaligen SPÖ-Hochburgen oder auch unter Bürgerlichen zu finden? Ist die FPÖ vielerorts ein Sammelbecken für frustrierte ProtestwählerInnen? Gehört es inzwischen stellenweise zum guten Ton unter jungen Leuten in Floridsdorf, deren Eltern noch SPÖ gewählt hatten, die FPÖ zu wählen? Passiert das aus einer Protesthaltung heraus, da die FPÖ-WählerInnen mit vielen Entwicklungen nicht zufrieden sind und der FPÖ eine Veränderungskraft zutrauen? Gibt es neben entschlossenen FPÖ-WählerInnen auch Menschen, die gemäß ihrer Überzeugung eigentlich SPÖ-WählerInnen sein müssten, aber von der SPÖ zutiefst enttäuscht sind? Sind der SPÖ die ArbeiterInnen peinlich geworden? Geht es den FPÖ-WählerInnen nicht vordergründig um das Thema Migration, sondern um Protest? Sind viele dieser WählerInnen nicht wirklich gut informiert? Welches große Unbehagen gegenüber „den Ausländern“, welche Sehnsüchte nach einem besseren Leben für die „kleinen Leute“ haben diese WählerInnen? Worüber redet man mit WählerInnen, die sich mit FPÖ-PolitikerInnen ablichten lassen? Wie kann man vermeiden, dass man auf der symbolischen Ebene die soziale Spaltung der Gesellschaft, die man bekämpfen möchte, nicht nur reproduziert, sondern vertieft? Braucht es nicht nur eine Politik, die die Auswirkungen des entfesselten Globalisierungskapitalismus bekämpft, sondern auch den Dialog mit politisch Andersdenkenden? Bedeutet die Diskussionsbereitschaft, die nicht nur die eigene Position bestätigt, zunächst nichts anderes, als das Gespräch nicht bei der ersten fremdenfeindlichen Äußerung abzubrechen? Hat der Rechtspopulismus eine Chance, da sich eine Repräsentationslücke aufgetan hat? Was steckt hinter der Enttäuschung von WählerInnen? Bestimmt die Enttäuschung politische Entscheidungen? Ist es die Täuschung durch gebrochene Wahlversprechen? Ist es der fehlende Respekt der Stärkeren gegenüber den Schwächeren? Gibt es eine Sehnsucht nach menschlicher Zugehörigkeit im Gegensatz zur Politik, die auf den Rücken der Schwächsten ausgefochten wird? Wie kann man neue Wege einschlagen

 

 

Aus organisatorischen Gründen wird um Anmeldung(en) per Mail unter doebling@bsa.at höflich gebeten.