Die Europäische Republik und der Nationalismus in Europa

Bildung, Kultur und Medien
Europa und Internationales
Innen- und Kommunalpolitik
Montag,
15
.10.
2018
 
Wien
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BSA Rudolfsheim-Fünfhaus
Gesellschaft für Geistes- und Sozialwissenschaften

Über den vermeintlichen oder tatsächlichen Antagonismus Europa versus Nationalstaat sowie die Zukunft der europäischen Demokratie diskutierten der Präsident des Europäischen Forum Alpbach Franz Fischler, die Politologin Ulrike Guérot, Gründerin und Direktorin des European Democracy Lab in Berlin, der Schriftsteller und Essayist Robert Menasse sowie die Ökonomin Margit Schratzenstaller, stellvertretende Leiterin des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung WIFO.

 

Zunächst wurde ein pointierter Kommentar des Sozialwissenschaftlers Paul Reinbacher zitiert: „Man denke auch an Debatten über das Verhältnis von Nationalstaat und EU, wo gegen nationale Grenzen in Europa polemisiert, aber gleichzeitig das europäische Konstrukt im globalen Kontext idealisiert wird und wo Staat, Nation und Nationalstaat unterschiedslos verwendet werden. Den aktuellen Diskurs dominiert dabei über weite Strecken ein nachgerade trivialer Moralismus auf Basis der Differenz von gut und schlecht.“ Dabei galt es den trivialen Moralismus zu überwinden und sachlich fundiert den Wandel von einem kleinen Bündnis zu einer großen Gemeinschaft mit etlichen Besonderheiten wie die EU-freundlichen Regionalisten in Katalonien und Schottland, die EU-kritischen Autokraten in Polen und Ungarn, wirtschaftliche Ungleichheiten zwischen Nord und Süd sowie gesellschaftliche Differenzen zwischen Ost und West zu analysieren.

Scheinbare Gemeinsamkeit ist noch das Erstarken des Rechtspopulismus, daher galt es in der Folge zu erörtern, ob die aktuellen Krisen in der EU die Vorboten für eine tiefere Integration oder für eine neue Phase von Eurosklerose. Die Utopie einer Europäischen Republik hat ein von Ulrike Guérot und Robert Menasse verfasstes Manifest als Grundlage, worin der Wunsch nach einer gemeinsamen europäischen Demokratie, die es noch nicht gibt, bekräftigt wird. Die zentrale Forderung ist, für alle BürgerInnen der EU gleiche Rechte zu ermöglichen, wofür die Auflösung der Nationen notwendig sei. Laut dem Autor handelt es sich um keinen Aktionismus, sondern um eine künstlerische Intervention, mit dem Ziel, eine Diskussion anzustoßen, die höchst notwendig ist. Die europäische Demokratie könnte auf zwei Grundsätzen wie zuvor die nationalen Demokratien gestaltet werden, dem Grundsatz der allgemeinen politischen Gleichheit für alle BürgerInnen und dem Prinzip der Gewaltenteilung. Erwähnung fanden in der Gesprächsrunde auch Argumente für die Nation und gegen mehr Supranationalismus, wie diese Michael Bröning, Referatsleiter für Internationale Politikanalyse der Friedrich-Ebert-Stiftung, in seinem Buch „Lob der Nation – Warum wir den Nationalstaat nicht den Rechtspopulisten überlassen dürfen“ wie folgt benennt: „Nicht von ungefähr scheitert eine größere Umverteilung auf europäischer Ebene, wie Jürgen Habermas vermerkt, solange nicht Portugiesen und Deutsche, Österreicher und Griechen bereit sind, sich gegenseitig als Bürger desselben politischen Gemeinwesens anzuerkennen.“

Offen ist, wie sich dieses Dilemma lösen lässt, einerseits die vermeintliche Notwendigkeit einer tieferen fiskalischen Integration, andererseits die starke kulturelle Bindung des Sozialstaates an den Nationalstaat. In den USA scheint eine stärkere fiskalische Integration zu gelingen, wenn man den Sozialstaat schwächt. Es gibt die regionale, die nationalstaatliche und die europäische Ebene, die Entscheidungen in der EU werden stark von den Interessen einzelner Nationalstaaten beeinflusst. Die Frage, wie man am meisten für die eigene Nation herausholen kann, spielt eine große Rolle. Wenn die Europäer mit nationalen Streitigkeiten beschäftigt sind und nicht zusammenarbeiten wollen, dann schadet dies den EuropäerInnen und kostet überdies auch viel Geld. Die Gründerväter der EU haben gewollt, dass die Nationalität in Europa weniger wichtig wird. Zitiert wurde Jean Monnet, der sagte: „Europa, das heißt nicht, Staaten zu integrieren, sondern Menschen zu einen“.

Prognosen sind schwierig, ob in Europa das Politische wichtiger ist als das Nationale. Einigkeit besteht darin, dass trotz aller Unterschiede die EuropäerInnen stark und solidarisch die gleichen Ziele verfolgen und die gleichen Werte vertreten sollen, hierzu zählen etwa Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, Menschlichkeit und eine soziale Marktwirtschaft. Wünschenswert wären ein geeintes, dezentrales, demokratisches und bürgerzentriertes Europa sowie eine gemeinsame proeuropäische Politik, die sich am Gemeinwohl aller BürgerInnen in Europa orientiert.

 

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