Anton Pelinka über Trends in der österreichischen Politik

Wenn man für mehr Gerechtigkeit ist, muss man für mehr Europa sein.
Bildung, Kultur und Medien
Europa und Internationales
Innen- und Kommunalpolitik
Donnerstag,
18
.9.
2014
 
Wien
BSA Döbling

Am 18.9.2014 konnte der BSA-Döbling zu seinem ersten Diskussionsabend nach der Sommerpause Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka, Professor für Politikwissenschaft und Nationalismusstudien an der Central European University in Budapest, begrüßen. Im Gespräch mit dem renommierten Politologen erfolgte nicht nur eine fundierte Situationsanalyse, welche Politik und Parteien durchaus machen, sondern es konnten auch strategische Schlussfolgerungen gezogen werden.

"Die starken gesellschaftlichen Änderungen der vergangenen Jahrzehnte waren durch den Generationenwandel und der damit verbundenen Öffnung der Gesellschaft bedingt. Die Jüngeren waren immer weniger von den vorgegebenen, geschlossenen Denk- und Verhaltensmustern der Vergangenheit geprägt."

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass der politische Zustand Österreichs das Ergebnis einer Europäisierung ist, das System Österreichs am ehesten mit jenem in den Niederlanden vergleichbar ist. Ein Abstieg der Großparteien, die die Zweite Republik begründet und den Wiederaufbau organisiert haben, ist eindeutig feststellbar, aber keine Partei dürfte, wenn nichts Unvorhergesehenes passiert, mehr als 30% erreichen.

"Die Kernwähler der Regierungspartei sind im Abnehmen begriffen und der Rest verteilt sich. Man kann das auch so sehen: Die politische Landschaft wird nicht nur spannender, sondern auch interessanter. Die Kalkulierbarkeit wird jedenfalls weiter abnehmen."

Spannend waren die Einschätzungen des Politologen zu den Regierungen nach der nächsten Wahl 2018, nach der vermutlich keine Koalition aus 2 Parteien eine Mandatsmehrheit haben dürfte. Daraus ergeben sich verschiedenen Möglichkeiten, eine Regierung aus 3 Parteien, eine Minderheitsregierung oder auch Bereichskoalitionen, was zu einer Stärkung des Parlaments und zu mehr politischem Diskurs führen wird.

"Meine Grundannahme ist es, dass, erstens, österreichische Parlamentarier weder dümmer noch klüger sind, als die Parlamentarier anderer Staaten. Das ist meine Prämisse der Durchschnittlichkeit. Zweiten gehe ich davon aus, dass man im Allgemeinen durch Erfahrung lernt. Das heißt, wenn die Abgeordneten merken, nun endlich von der Bevormundung durch die Regierung befreit, dass sie auch selbst entscheiden können."

Anton Pelinka warnte auch vor einer Überschätzung der Rolle des Bundeskanzlers, da dieser kein Premier, sondern lediglich ein primus inter pares sei. Außerdem plädierte er dafür, aktiv zu regieren, eine Mehrheit für den Regierungskurs zu erkämpfen, wie dies beispielsweie im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen und der Volksabstimmung der Fall war. Wichtige Entscheidungen aus Angst nicht zu treffen, etwas nicht zu machen, weil die Kronen Zeitung dagegen ist, die Meinungsumfrage nicht passt oder demnächst eine Landtagswahl in Österreich stattfindet, hält der Professor für das falsche Rezept für Regierungsparteien.

"Die wirklich Mutigen im Parlament sind diejenigen, die wissen, sie werden zur nächsten Wahl nicht mehr aufgestellt."

Außerdem ging unser Gast auf die Möglichkeiten der Stärkung der direkten Demokratie, dem Wunsch der Österreichinnen und Österreicher über einen Urnengang hinaus mitreden und mitgestalten zu wollen, ein. Ebenfalls beleuchtete Anton Pelinka das sich verändernde Wahlverhalten in Österreich, wobei das Alter, die Bildung und das Geschlecht die großen erklärenden Faktoren dieser Entwicklung darstellen.

"Die Jungen sind polarisierter als die Alten. Die eine Gruppe wählt Grün, die andere Blau. Ein Wechsel zur anderen Gruppe schließt sich fast aus. Die Jungen sind polarisiert zwischen den Modernisierungsgewinnern und den Modernisierungsverlierern, definiert durch Bildung und Lebenschancen."

Veranstaltungsankündigung