Die Psychologie der Politik - Im Gespräch mit Christina Beran, Helga Schachinger, Barbara Stollberg-Rilinger und Sonja Zmerli

Wie viel Psychologie enthält die Politik?
Bildung, Kultur und Medien • Europa und Internationales • Innen- und Kommunalpolitik
Wien
BSA Döbling
BSA Penzing
BSA Rudolfsheim-Fünfhaus
BSA Simmering
Gesellschaft für Geistes- und Sozialwissenschaften
Vereinigung sozialdemokratischer Angehöriger in Gesundheits- und Sozialberufen
Vereinigung Sozialdemokratischer Universitäts- und FachhochschullehrerInnen
Donnerstag,
4
.11.
2021
18.00 Uhr

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-, Download unter https://zoom.us/

 

ZOOM Link: https://us02web.zoom.us/j/83949010801

Mag.a Christina Beran (Psychologin, Strategie- und Politikberaterin, Personal & Executive Coach, Gründerin der A4S Agentur für Strategie und Entwicklung - Communication 4 Emotion and Brian)

Mag.a Dr.in Helga Schachinger (Arbeits-, Wirtschafts- und Sozialpsychologin und Buchautorin "Die Psychologie der Politik")

Prof.in Dr.in Barbara Stollberg-Rilinger (Historikerin, Professorin für Geschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin)

Prof.in Dr.in Sonja Zmerli (Politologin und Professorin an der Science Po Grenoble, am Institut d'etudes politiques de Grenoble der Université Grenoble Alpes)

 

Bereits Aristoteles gelangte zur Einschätzung, dass der Mensch ein politisches Wesen ist. Die politischen Vorgänge der Meinungsbildung, Konfliktbewältigung, Überzeugung und Konsensfindung sind auch sozialpsychologische Vorgänge, die politische Psychologie möchte die Ursachen politischer und gesellschaftlicher Entwicklungen genauer bestimmen, politische Eliten, insbesondere deren Persönlichkeit, Motive und Handlungen, politische Führung, Entscheidungsprozesse, Bedingungen kollektiven Handels, Gruppenverhalten, politische Sozialisation und Einstellungen, Vorurteile, Wahlverhalten, politische Kommunikation und Informationsverarbeitung, Medienwirkungen und öffentliche Meinung analysieren. Je weniger politische Inhalte, die die Parteien voneinander unterscheiden könnten, kommuniziert werden, desto mehr konzentriert sich öffentliche Aufmerksamkeit auf PolitikerInnen, die mangels Inhalten zur Selbstdarstellung greifen müssen. Die dabei zum Tragen kommende psychologische Seite der Politik ist unpolitisch, da Personen nicht von politischem Interesse sein sollten, sondern deren Botschaften. Besteht die Botschaft nur aus egomaner Medienperformance, geraten verbleibende politische Inhalte in Gefahr entwertet und deren VertreterInnen lächerlich gemacht zu werden, da sich diese weniger als deren Inhalte darstellen. Zu den Kennzeichen der von Theodor W. Adorno und anderen WissenschaftlerInnen erforschten „autoritären Persönlichkeit“ gehören unter anderem Modernitätsverweigerung, Autoritätshörigkeit und Überidentifikation mit den Machthabern, weshalb es darauf ankommt, die Herausbildung einer „demokratischen Persönlichkeit“ zu fördern, um die Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln und krisenfest zu machen. Es gilt Dynamiken aufzuzeigen, Handlungskompetenz zu liefern und einen Beitrag zur Klärung unvermeidlicher Konflikte zu leisten.

 

Wie wirkt sich die Psychologie der Politik nicht nur auf PolitikerInnen und WählerInnen, sondern auch auf relevante Themen wie etwa Migration und Fremdenfeindlichkeit, gesellschaftliche Ungleichheiten, soziale und politische Bewegungen oder gewalttätige Konflikte aus? Welche Wege der Konfliktlösung, Friedenssicherung und Demokratieförderung lassen sich aufzeigen? Ist Zivilcourage erlernbar? Gibt es Faktoren in der Sozialisation eines Menschen, die dessen Zustimmung zu autoritären Regimen wahrscheinlicher machen? Wie werden Macht- und Herrschaftsverhältnisse begründet? Was ist mit dem „Zoon politikon“ gemeint? Warum wird die Kernaufgabe der Organisation sozialer Gemeinschaften als Politik bezeichnet? Wieso wundert es nicht, dass politisches Denken und Handeln zur Grundausstattung der menschlichen Psyche gezählt wird? Welche Erkenntnisse sind für das Verständnis und die Gestaltung politischer Prozesse hilfreich? Wie entstehen Fehlentscheidungen in politischen Gremien und wie lassen sich diese verhindern? Warum wird in der Politikvermittlung medial zunehmend versucht, politische Unterhaltungsformate zu schaffen? Entwickelt sich eine „Entertainisierung“ der Politik, um BürgerInnen für politische Themen zu interessieren? Weshalb wird die politische Ausrichtung von Parteien in demokratischen Systemen auf einem Kontinuum zwischen links und rechts häufig beschrieben? Spiegelt sich die Links-Rechts-Ausrichtung auch in der politischen Orientierung der BürgerInnen wider? Wieso weist diese eine erstaunliche Stabilität über die Lebenszeit auf? Wie lässt sich die Beteiligung an sozialen und politischen Protestbewegungen erklären? Welche Rolle spielt die soziale Identität im politischen Kontext? Wie kann eine Versöhnung zwischen sozialen Gruppen gelingen? Warum gestaltet sich die Überwindung der Konflikte zwischen diesen Gruppen in der Regel schwierig und stellt einen langwierigen politischen Prozess dar? Wie können gesellschaftliche Konflikte, die der politischen Debatte bedürfen, gelöst werden? Wo beginnt Politikverdrossenheit oder Überdruss gegenüber PolitikerInnen? Verabschiedet sich die Politik von Konzepten und Visionen? Wird auf die Vermittlung von Wir-Gefühlen verzichtet und werden diese den PopulistInnen überlassen? Zeigt sich eine Abwehr der Spitzenpolitik gegenüber Emotionalität und Visionen? Gibt es eine Lähmung der Politik gegenüber Reformen? Funktioniert Politik ohne Emotionen nicht? Wie gefährlich ist Politik mit Affekten? Welcher wesentliche Unterschied besteht zwischen bewussten und der Debatte zugänglichen Emotionen und weitgehend ohne bewusste Inhalte arbeitenden oder erst nach sich ziehenden Affekten? Ist „Daham statt Islam“ eine Affektbotschaft, „mehr Demokratie wagen“ eine politische Aussage mit einer emotionalen Unterlegung? Soll im Gegensatz zur viel beklagten mangelnden Unterscheidbarkeit im gegenwärtigen Politikbetrieb auf politischen Aussagen mit Dissenscharakter gesetzt werden? Wie entsteht eine Aufbruchsstimmung? Wo werden neue Politikansätze konsistent vorgetragen und mit emotionaler Authentizität durch deren RepräsentantInnen vertreten? Beeinflussen Minderheiten, die die Inhalte konsequent, in sich konsistent und über einen längeren Zeitraum vortragen, Mehrheiten in Richtung von deren Botschaften? Wird die Möglichkeit, eine Mehrheit nach und nach von Inhalten mit dem expliziten Einsatz von Visionen zu überzeugen, nie ohne emotionale Unterlegung auskommen?

 

Sind es PolitikerInnen gewohnt, die Verhältnisse zu verändern oder sich wenigstens diesen Anschein zu geben, aber keine Innenschau zu halten? Warum übt Macht eine Anziehungskraft auf Personen aus, die an narzisstischer Persönlichkeitsstörung leiden? Findet eine Abkehr von Idealen statt, denen diese verpflichtet sind? Auf welche kognitionspsychologischen Modelle wird bei der Wirkung der Medien auf die Menschen zurückgegriffen? Wie lassen sich etwa in der politischen Werbung Reize gestalten, dass sich die RezipientInnen nicht entziehen können? Wirken häufig vorgetragene Slogans intensiver oder wenden sich die Menschen bei ständiger Wiederholung überdrüssig ab? Haben mit Pro- und Contra-Argumenten übermittelte Botschaften eine größere Chancen zu überzeugen? Wecken Botschaften, die nur eine Sichtweise transportieren, Manipulationsverdacht? Erleben politische Mythen in Krisenzeiten und gesellschaftlichen, politischen Umbruchsphasen, bei Identitäts- und Legitimationsdefiziten eine Konjunktur? Wirken politische Mythen als Subjekt und Objekt von Geschichte vor allem sinngebend? Wie wichtig sind politische Mythen als Instrument der Kommunikation mit den Massen? Warum tut sich nicht nur die politische Linke mit dem autonomen politischen Bewusstsein schwer? Liegen die Gründe, warum jemand rechtsextrem orientiert ist oder kriminell handelt, in den sozialen Verhältnissen? Was ist mit Trends, die nur bedingt aus politischen und sozialen Verhältnissen entstehen? Welches grundsätzliche Dilemma bleibt bei der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus? Wie begegnet man Rechtsextremen mit der notwendigen rechtsstaatlichen Entschlossenheit? Wie stilisieren sich Rechtsextreme larmoyant als Opfer vermeintlicher staatlicher Willkür? Wie wird ein Weichen staatlicher Autoritäten als Ausdruck von Schwäche interpretiert und zugleich der angeblich eigene starke Arm als Verlängerung unfähiger, aber letztlich gewollter staatlicher Härte fantasiert? Warum geraten bei einem Scheitern politischer Projekte und Vorhaben deren ProtagonistInnen stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit? Warum entstand der Eindruck, dass Reformprojekte grundsätzlich am Widerstand der Bevölkerung scheitern? Wie beendet die öffentliche Debatte eines fundamentalen Dissenses den politischen Stillstand? Warum sind Einstellungen und Verhalten zwei sehr verschiedene Dinge? Spüren die Menschen großen Veränderungsbedarf, wollen diese letztendlich nicht angehen? Welche Wege zur Veränderungsbereitschaft gibt es etwa beim Klimaschutz? Erleben die Menschen zynische Katastrophenpädagogik in Form von Dürre und Überschwemmung, dass es ohne Veränderungen nicht mehr geht? Lässt sich durch den Generationenwandel, dass die Jüngeren das Klima wirksam schützen müssen, eine politische Mobilisierung erreichen? Warum steht das Alltagsbewusstsein des Weitermachens einer gemeinsam entwickelten, vernünftigen Einsicht im Weg, um Interessen- und Wertekonflikte zu harmonisieren, gesellschaftliche Widersprüche, Interessenskonflikte oder Ungerechtigkeiten aufzulösen? Wie kann die politische Psychologie den AkteurInnen zu mehr Handlungskompetenz verhelfen?

Aus organisatorischen Gründen wird höflich um Anmeldung(en) per Mail unter doebling@bsa.at gebeten.