Die zerbrechliche Demokratie und die europäische Erinnerungskultur - Im Gespräch mit Hannah Lessing, Cornelius Obonya, Jerome Segal und Susanne Scholl

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Dienstag,
6
.7.
2021
18.00 Uhr

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-, Download unter https://zoom.us/

 

 

 

Mag.a Hannah Lessing (Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus und Co-Leiterin der Österreich-Delegation der "International Holocaust Remembrance Alliance")

Cornelius Obonya (Schauspieler und Präsident der Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich) 

Dr.in Susanne Scholl (Schriftstellerin und Journalistin, langjährige ORF-Korrespondentin in Moskau, Buchautorin "Schäm' dich Europa! Warum wir nicht mit einer Lüge leben sollten")

Dr. Jérôme Segal (Historiker und Journalist, Assistenzprofessor an der Universität Paris IV-Sorbonne, Buchautor "Wie ein roter Faden - Eine Familie in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts)

 

In einer immer unübersichtlicher erscheinenden, scheinbar aus den Fugen geratenen Welt wächst eine Sehnsucht nach einfachen, monokausalen Erklärungen und Sündenböcken, Vorurteile gegen JüdInnen, Muslime, MigrantInnen und andere Bevölkerungsgruppen sind auf dem Vormarsch und die Rechte versucht, daraus politisches Kapital zu schlagen. Nach einer Phase der weitgehenden Tabuisierung antisemitischer Anschauungen ist es seit einiger Zeit auch in Österreich wieder möglich, Wahlkämpfe mit dem Schüren antisemitischer Ressentiments zu führen. Rechtsextreme Organisationen oder Parteien nennen das jüdische Feindbild wieder offen beim Namen, leugnen oder relativieren den Holocaust, JüdInnen werden für politische wie ökonomische Krisen und Verwerfungen verantwortlich gemacht. Bis heute existiert der „Opfermythos“ in den Köpfen verschiedener PolitikerInnen, aber es gibt intensive Bemühungen, insbesondere aus Wissenschaft, Kunst und Zivilgesellschaft, die Verantwortlichkeit und Beteiligung Österreichs im NS-Regime aufzudecken, durch breite Aufklärungsarbeit das kritische Bewusstsein zu schärfen, sich gegen Antisemitismus und für Aufklärung über den Holocaust zu engagieren. Vor 25 Jahren öffnete der Nationalfonds der Republik Österreich erstmals seine Tore für alle Opfer des Nationalsozialismus, nach wenigen Tagen war bereits fast 10.000 Schreiben und Anträge von Betroffenen aus aller Welt eingegangen. Nach einem Vierteljahrhundert wenden sich noch immer Überlebende an diesen Fonds, auf den zahlreiche, zu Beginn nicht absehbare Aufgaben zugekommen sind. Die Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit, der politische Extremismus wendet sich gegen deren Säulen. Zivilgesellschaftliches Engagement gegen den Hass, für Solidarität ist schwierig, es gilt die Demokratie zu stärken, Rechtsextremismus erfolgreich zu bekämpfen.

Wie tragen Erinnerungsarbeit und das Lernen aus den Fehlern der Vergangenheit zu einem politischen Lernprozess bei, den jede Generation auf ein Neue vollziehen muss? Hat sich das Geschichtsbewusstsein nachhaltig gewandelt? Warum muss man sehr genau zwischen Kollektivschuld und Individualschuld trennen? Hat sich die Republik Österreich nicht schuldig gemacht, aber viele StaatsbürgerInnen, die sich begeistert für den Nationalsozialismus engagierten? Wie wurde Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet? Wie sah der Kampf gegen die wachsende soziale Ungleichheit nach dem Zweiten Weltkrieg aus? Wie kann man verhindern, dass die Menschen wieder die Möglichkeit erhalten, behaupten zu können, von nichts gewusst zu haben? Wie kann man weder die Verbrechen der Vergangenheit banalisieren noch ungültige Vergleiche ziehen? Ist jeder Vergleich des Holocaust mit einem anderen Genozid insbesondere für die ZeitzeugInnen problematisch? Muss ein Vergleich zu anderen genozidalen Erfahrungen hergestellt werden, um die Erinnerungskultur und die besondere Verantwortung in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft zu vermitteln? Dient der Antisemitismus vor allem auch dem Kampf gegen eigene Minderwertigkeitskomplexe, die Gefühle von Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit? Gilt es nicht nur den Wurzeln des Antisemitismus nachzuspüren? Macht man sich besser unsichtbar, falls der Hass die Stimme erhebt? Wie kann man dem Hass entgegenstehen? Bezieht sich der heutige Hass nicht unbedingt nur auf JüdInnen? Braucht manche nicht nur JüdInnen als Hassobjekt, sondern auch Muslime, Menschen mit anderer Hautfarbe, anderen Lebensgewohnheiten oder mit Verfolgungsgeschichten auf der Suche nach einem Ort für ein menschenwürdiges Leben? Wie soll man mit politischen Kräften umgehen, die ein Land radikalisieren, nationalistische Politik betreiben? Was kann man gegen gesellschaftliche Spaltungen und Populismus mit antisemitischen Zügen tun? Warum soll Europa nicht mit einer Lüge leben? Wurde das moderne Europa auf zahlreichen historischen Lügen aufgebaut? Wie kann man die historische Wahrheit verteidigen, um der Zukunft eine Chance zu geben? Welche Werte könnten für alle Menschen verbindend sein? Zeichnet sich das säkulare Judentum durch den Wunsch nach Bildung für alle, einer internationalen, grenzenlosen Solidarität aus? Wie zerbrechlich ist die Demokratie? Stehen die Demokratie und die Zivilisation auf dem Spiel? Muss man wirklich achtsam sein und klare Grenzen setzen? Wie kann man sich gegen Rassismus und Nationalismus engagieren? Welche starke Position darf man sich von der Politik erhoffen?

Aus organisatorischen Gründen wird höflich um Anmeldung(en) per Mail unter doebling@bsa.at gebeten.