Der Populismus bildet den Schatten einer repräsentativen Demokratie, ein spezifisch modernes Phänomen. Oft klingt es in Diskussion über Populismus so, als gäbe es das Phänomen erst seit einigen wenigen Jahren, als erlebten wir derzeit ein einzigartiges Zeitalter des Populismus oder gar eine beispiellose populistische Situation. Schon seit vielen Jahren schwanken verschiedene Empfehlungen zwischen zwei Optionen hin und her, einerseits der Strategie, PopulistInnen konsequent auszugrenzen, andererseits der Vorstellung, es könne sinnvoll sein, jene Themen und politische Rezepte selektiv zu übernehmen und so ihren Einfluss zu verringern. Für beide Vorgehensweisen gibt es erfolgreiche Beispiele, die allerdings oft aus einem spezifischen historischen und kulturellen Zusammenhang gerissen werden. Wer von vornherein meint, die Anhängerschaft jener PopulistInnen setze sich alleine aus Modernisierungs- und GlobalisierungverliererInnen mit all ihren vermeintlichen Ressentiments, Sorgen und Ängsten zusammen, macht es sich zu leicht. Man bräuchte eigentlich gar nicht zuzuhören, da ohnedies nur diffuse Ängste zum Ausdruck gebracht werden, jedoch darf man denen, die VerteidigerInnen der Demokratie sein wollen, durchaus zumuten, sich auf Augenhöhe mit den PopulistInnen auseinanderzusetzen.
Wer wird heute nicht alles als PopulistIn bezeichnet, PolitikerInnen wie Donald Trump, Marine Le Pen, Geert Wilders, Nigel Farage oder Heinz Christian Strache sowie PolitikerInnen des Mainstream, die meinen, dem Volk aufs Maul schauen zu müssen. PopulistInnen behaupten, das Volk zu sein, meinen, sie und nur sie repräsentieren das Volk. Damit werden alle, die anders denken, ob GegendemonstrantInnen auf der Straße oder ins Parlament gewählte, offizielle VolksvertreterInnen, als illegitim abgestempelt. Alle PopulistInnen sind gegen das Establishment, aber nicht jeder, der Eliten kritisiert, ist ein Populist. PopulistInnen sind zwangsläufig antipluralistisch, wer sich ihnen entgegenstellt und ihren moralischen Alleinvertretungsanspruch bestreitet, gehört automatisch nicht zum wahren Volk. PopulistInnen behaupten, den Willen des Volkes zu repräsentieren und zu vollstrecken, instrumentalisieren eine symbolische Repräsentation des angeblich wahren Volkes, um demokratische Institutionen, die bis jetzt nicht von PopulistInnen dominiert werden, zu diskreditieren. Allerdings ist Demokratie ohne Pluralität nicht zu haben, letztendlich entscheiden die Stimmanteile, wer die BürgerInnen auf Zeit repräsentiert. Populismus ist an sich nicht demokratisch, zumindest der Tendenz nach ohne Zweifel antidemokratisch.
Angesichts aktueller Entwicklungen möchten wir gemeinsam verschiedenen Fragestellungen nachgehen und auch neue Strategie in der politischen Auseinandersetzung mit PopulistInnen zu entwickeln: Wie kann man Populismus klar von der Demokratie abgrenzen? Was ist bei dem Phänomen entscheidend? Was denken PopulistInnen und was stellen sie sich unter erfolgreicher Politik vor? Können PopulistInnen in ihrem Sinne durchaus erfolgreich regieren? Wie lässt sich eine Theorie des Populismus skizzieren? Lässt sich das Phänomen schärfer umreißen? Lassen sich die Ursachen des Phänomens erklären? Warum kann Populismus häufig als demokratisch, gar radikaldemokratisch erscheinen? Welche Grundprinzipien der modernen repräsentativen Demokratie sollten weder normativ noch empirisch trotz aufgeregten Geredes über Postdemokratie in Frage stehen? Von welchen Illusionen muss man sich möglicherweise verabschieden, wenn man den PopulistInnen nicht auf den undemokratischen Leim gehen will? Auf welche Weise kann man sich mit PopulistInnen auseinandersetzen, ohne ihre Selbststilisierung, sie würden von liberalen Eliten diskriminiert, noch verstärken? Was erwarten wir eigentlich selbst von der Demokratie? Welchen gegenwärtigen Herausforderungen steht die Demokratie gegenüber?