Klimawandel, Klimaschutz, Klimastrategie und KlimapionierInnen

Europa und Internationales
Umwelt und Infrastruktur
Wirtschaft und Arbeit
Donnerstag,
28
.2.
2019
 
Wien
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BSA Simmering
Bundesfachgruppe Medienberufe im BSA
Gesellschaft für Geistes- und Sozialwissenschaften
Vereinigung sozialdemokratischer Angehöriger in Gesundheits- und Sozialberufen
Vereinigung Sozialdemokratischer Tierärztinnen und Tierärzte
Vereinigung Sozialdemokratischer Universitäts- und FachhochschullehrerInnen

Die Meteorologin Helga Kromp-Kolb, Helga Krismer, Initiatorin des Klimavolksbegehrens, der Ökonom Karl Aiginger sowie Adam Pawloff, Klima- und Energiesprecher von Greenpeace Österreich, diskutierten, warum sich die Menschen auch auf einer vermeintlichen Insel der Seligen, angesichts von plus zwei Grad, für die Rettung der Erde erwärmen sollten.

Helga Kromp-Kolb erklärte, weshalb der Klimawandel in seiner Gesamtheit schwer zu fassen ist und in welcher Ausnahmesituation sich die Erde befindet. Zwei Grad globale Erwärmung sind ein Problem, kleinere Schwankungen der globalen Mitteltemperatur haben bereits eine große Wirkung. Die Folgen von „natürlichen“ Klimaschwankungen, die es historisch schon immer gab, werden unterschätzt, vielmehr unterscheidet sich ein „menschenverursachter“ Klimawandel von natürlichen Schwankungen. In Österreich muss man sich auf unmittelbare Auswirkungen des Klimawandels einstellen, welcher Veränderungen für die einzelnen Lebensbereiche, die Landwirtschaft, den Tourismus, die Gesundheit oder die Energieversorgung Österreichs durch Wasserkraft bringt. Darüber hinaus treten Auswirkungen des Klimawandels andernorts auf, die trotzdem auf Österreich zurückwirken. Dementsprechend muss man sich umfassende Gedanken zum Klimawandel machen, welche sozialen Folgen die tiefgreifenden Veränderungen des Klimawandels mit sich bringen. Der Klimaschutz ist kein Luxus, den sich nur reiche Menschen leisten können. Es sollte auch nicht erst der Hunger und danach der Klimawandel bekämpft werden, Berücksichtigung sollten die Nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO finden.

Der Mensch hat noch einen gewissen Handlungsspielraum, jede und jeder kann und soll wirksam zur Eindämmung des Klimawandels beitragen. Die Transformation, um das Ziel, den globalen Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsius gegenüber vorindustriellem Niveau zu halten, zu erreichen, beinhaltet einen Strukturwandel und tiefgreifende Veränderungen des Konsumdenkens und des Lebensstils. Die Alternative, dieses Ziel nicht zu erreichen, bringt auch eine Transformation mit sich. Mit Transformation ist auch bei einem Mittelweg, dass unzureichende Klimaschutzmaßnahmen gesetzt werden, zu rechnen. Da der Klimawandel Transformation unvermeidlich macht, plädierte die Klimaforscherin für eine Bildungsrevolution. Schulen haben eine Aufgabe, die Bedeutung des Kampfes gegen den Klimawandel in ihren Lehrplänen abzubilden und junge Menschen auf die zukünftigen Herausforderungen vorzubereiten. Gewonnene Erkenntnisse, die Bewusstseinsbildung, das Wissen über den Klimawandel werden nachhaltiges Handeln bestimmen.

Der Klimawandel ist nicht nur „Gutmenschen“ ein Anliegen, es sind viele Klimaschutz- und NachhaltigkeitspionierInnen, die sich für das Klima einsetzen und die es auch in Österreich gibt. Die Menschen können klimafreundlicher leben, dabei selbst einiges tun. Globale Entwicklungen können gemeinsam als Chance verstanden werden, die beiden wichtigsten Agenden der Menschheit, das menschliche Wohlergehen einerseits, die Einhaltung der ökologischen Grenzen andererseits, können gleichzeitig verfolgt werden, ohne gegeneinander ausgespielt zu werden. Es könnten sich viele Synergien durch eine notwendige multiple Transformation beispielsweise im Mobilitätssektor, in der Raumplanung ergeben. Die Wissenschaft und die Wissenschaftssysteme müssen sich transformieren, um einen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels und der Nachhaltigen Entwicklungsziele zu leisten, wissenschaftliche Analysen und Lösungsvorschläge dürfen nicht in den derzeitigen Systemen und in dem derzeitigen Denken verfangen bleiben.

 

Karl Aiginger ging, da die Klimaerwärmung wissenschaftlich erwiesen ist, auf erforderliche strategische Planungen ein. Die Ziele in den Bereichen Wirtschaft, Soziales und Umwelt können nicht getrennt behandelt, sondern müssen gemeinsam geplant und auch realisiert werden. Die Klimaerwärmung kostet etwa in den Bereichen Gesundheit und Lebensqualität viel Geld, allerdings generieren KlimapionierInnen in den Bereichen passender Technologien Arbeitsplätze und Gewinne, während Nachteile oder Schäden die NachzüglerInnen etwa durch fremde, nicht passende Technologien in Kauf nehmen müssen. Es geht darum, dass sich Österreich dabei im Spitzen- oder Mittelfeld bewegt und nicht im europäischen Vergleich zurückfällt. Eine europäische Klimastrategie ist notwendig und dringlich, eine Führungsrolle Europas nötig und positiv. Technologie müssen gesteuert und Energie gespart werden, es muss rohstoffsparend statt arbeitssparend agiert werden. Die EU kann das Vakuum durch den Rückzug der USA nutzen und neue Partner in Kalifornien, Nordafrika ansprechen, auch eine Kooperation mit der Zivilgesellschaft ist möglich. Eine rationalere Klimapolitik der EU muss generelle Regeln verstärken, jedes Land soll billiger und risikoloser Prioritäten setzen.

Zu beleuchten wäre ein Technologiedefizit gegenüber den USA, der schrumpfende Vorsprung auf China, die Vielfalt von Innovation auf unerforschtem Territorium als ein Beleg der Ineffizienz. Interessant wäre noch die Technologieführerschaft Europas bei Dekarbonisierung, welche der Turbo für Dynamik sein kann. Wenn man berücksichtigt, an welcher Stelle Österreich beispielsweise bei der Reduktion von Stickoxiden und Feinstaub liegt, dann sind auch diverse Rückschritte in Umweltrankings zu bemerken. Der Ökonom bewertete den sinkenden Anteil der Ökosteuern negativ, durch die staatliche Förderung des Austausches von Ölheizkesseln ist nur die falsche Technologie länger im Gebrauch. Ökosteuern können auch sozial gerecht gestaltet werden, es bedarf allerdings einer glaubwürdigen Vision des Gesamtertrages für alle durch diese Reform.

Eine Gesamtstrategie beruht auf den drei Säulen ökonomische Dynamik, soziale Verantwortung und ökologische Nachhaltigkeit, wobei hier Synergien entstehen, wenn für jede Maßnahme die Folgen für alle Ziele berücksichtigt werden. Ökologische Maßnahmen können auf soziale Konsequenzen untersucht und diese vor allem auch kompensiert werden. Es gibt eine Vielzahl konkreter Vorschläge, wie die verpflichtende Nutzung alternativer Antriebe bei Dienstautos, privaten Transportdiensten, Bussen, die Besteuerung nach tatsächlichen Emissionen. Neue Technologien brauchen eine entsprechende Infrastruktur. Die Forschung in Umwelttechnologie kann gestärkt werden, die Steuern können ökologischer gestaltet werden, weniger auf Arbeit, mehr auf Emissionen, zum Beispiel muss die Pendlerpauschale ökologisch gestaltet werden. Die Standards im Bürobereich und Wohnbau müssen steigen, die thermische Sanierung für private Haushalte oder öffentliche Gebäude sollte erhöht werden. Mobilität kann in die Raum- und Stadtplanung, in Smart Cities, besser integriert werden, durch Smart Grids und Smart Metering erfolgt eine Tarifierung nach Zeit und Ort. Außerdem können Regulierungen und Subventionen anhand der Klimaziele evaluiert und diese dabei besser berücksichtigt werden.

Helga Krismer stellte klar, dass die Klimakatastrophe ihre Opfer in der Mitte der Gesellschaft fordert. Es gilt hier zu verdeutlichen, dass es nicht nur um den Eisbären in der Arktis, sondern auch um existenzielle, gesundheitliche Gefahren für Menschen bei Muren, Hochwässern, Schlammlawinen, es um unser Überleben geht. Die Politik kann das Steuersystem dahingehend gestalten, damit es die Klimakatastrophe nicht weiter anheizt. Das Steuersystem muss angepasst werden, dass es den Ressourcenverbrauch stärker in die Pflicht nimmt. Die Transformation zu einer Industrie und Wirtschaft ohne Ausstoß von CO2 muss gelingen, die Digitalisierung könnte dazu beitragen. Es gilt zu beantworten, was eine Industrie braucht, die energieintensiv arbeitet und zur Erreichung der Klimaziele beitragen will. Die Politik in Österreich ist gleichermaßen gefordert, die Verschwendung von Strom, Rohstoffen, Boden und Lebensmitteln zu reduzieren. Eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft mit konsequenten Re- und Upcycling-Konzepten kann kostbare Ressourcen wieder zurück ins System führen, auch an der Langlebigkeit vieler Produkte muss gearbeitet werden. Es sind Änderungen notwendig, damit die Nahrungsmittelproduktion das Klima nicht noch weiter anheizt, wobei eine klimafreundliche biologische und extensive Landwirtschaft unterstützt werden muss. Es geht auch darum,  dass gesunde und leistbare Lebensmittel für alle Menschen zur Verfügung gestellt werden.

Die Klimakrise vertreibt Millionen Menschen aus ihren Heimatländern, die Vertreibung als Folge der Klimakatastrophe muss eingedämmt werden. Daher sind Maßnahmen zu setzen, um reale Auswirkungen und die Ursachen der Vertreibung wie Dürre, Überschwemmungen, lange Hitzeperioden zu reduzieren, wobei nicht nur das Überleben der Menschen gesichert werden muss. Ab 2000 wurde von der schwarzblauen Koalition das „No Gold Plating“ propagiert, dabei handelt es sich um freiheitliches Gedankengut. Es geht derzeit leider nur darum, zu tun, was jetzt wichtig ist, jedoch nicht um einen Schritt mehr, der für die Zukunft wesentlich ist oder auch anderen hilft. Zu kritisieren ist, dass insbesondere die FPÖ, aber auch andere Parteien die Klimapolitik nicht ernstnimmt und das notwendige Problembewusstsein fehlt. Man könnte konstatieren, dass Populismus und Renationalisierung implizit gegen anspruchsvolle Umweltpolitik sind. Tempo 140 könnte als das klare Signal von Verkehrsminister Norbert Hofer interpretiert werden, wie wichtig der FPÖ der Kampf gegen die Erderwärmung ist. Darüber hinaus ist ein Problem, dass Vizekanzler Heinz-Christian Strache jede evidenzbasierte Diskussion mit der Behauptung, der Klimawandel sei nicht vom Menschen verursacht, zerstört. Bedauerlicherweise haben die Populisten immer nur Vorschläge, die kurzfristig etwas bringen sollen, aber langfristig Umwelt, Sozialstaat, Wirtschaft schaden.

Ganz im Gegenteil sollte es laut der Tierärztin darum gehen, was die Politik in den Gemeinden und Regionen in Österreich braucht, um wirksamer gegen die Klimakatastrophe zu arbeiten. Die Ortskerne können als Zentren des öffentlichen Lebens wiederbelebt, die Nahversorgung sichergestellt und die Zersiedelung eingeschränkt werden. Die Auswirkungen des Verkehrs, die zu der Klimakatastrophe beitragen, müssen eingedämmt werden, neue Mobilitätsaspekte eröffnen ein dichtes Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln, die Angebote der Shared-Mobility und eine zukunftsorientierte Raumplanung. Der Gütertransport, die Schifffahrt und der Flugverkehr müssen auf CO2-sparende Systeme umgestellt werden, die Sanierung und Schaffung von Wohnraum soll leistbar und klimaschonend stattfinden.

Adam Pawloff kritisierte das Ergebnis der UN-Klimakonferenz in Kattowitz als ambitionslos, da die Politik eine globale Chancen vergeben hat. In Polen haben die VerhandlerInnen bei der Einigung auf ein Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens ohne Verbesserung der nationalen Klimaschutzpläne der rund 200 Teilnehmerstaaten etwas ausgespart, um die Klimaziele tatsächlich zu erreichen und die Erderwärmung auf 1,5 Celsius Grad begrenzen zu können. Bei einer Erhitzung von mehr als drei Grad wären das Abschmelzen der Gletscher, verheerende Hitzewellen und der Untergang der kleinen Inselstaaten die Folge. Es bleibt nur wenig Zeit, um den Klimakollaps zu verhindern, auch Österreich muss nach der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens auf nationaler Ebene mangels global verbindlichem Rahmen zur Nachbesserung der Klimaschutzpläne die Ambitionen auf dem Gebiet deutlich erhöhen. Die Bundesregierung und die Landesregierungen dürfen beim Erreichen der nationalen Klimaziele nicht versagen, vielmehr muss die Klima- und Energiestrategie gerettet werden. Vor allem die Maßnahmen im Verkehrsbereich genügen nicht, um das Reduktionsziel von 30 Prozent zu erreichen.

Ein wirksamer Klimaschutz kann nur gemeinsam von Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und den KonsumentInnen erreicht und eine effiziente Klimaschutzpolitik realisiert werden. Die Atomindustrie präsentiert Kernkraft als Lösung für die Klimakrise, die gefährliche Technologie scheint ein Comeback zu feiern. Eine Debatte, wonach die Atomenergie einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann, ist angesichts der Gefahren, die von Atomkraft ausgeht, absurd. Interessant ist die Frage, ob und wie die Atomindustrie bereits vor der Klimakonferenz in Paris trotzdem, Kernenergie als Klimaschutzlösung zu präsentieren und Atomprojekte mit Klimaschutzmitteln zu finanzieren versuchte. Wesentlich sind Antworten, wie in Österreich 100 Prozent erneuerbare Endenergie überhaupt möglich sind, 90 Prozent klimaschädlicher Treibhausgasemissionen aus Bereichen wie Energieversorgung, Industrie und Landwirtschaft bis 2050 eingespart werden, der Endenergieverbrauch um 30 Prozent, um 50 Prozent bis 2050, reduziert werden kann und erneuerbare Energien auf mehr als 60 Prozent, auf 100 Prozent bis 2050, des Endenergiebedarfs ausgebaut werden können. Die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen haben erstmals mit 1,3 Millionen Tonnen den gesetzlichen Höchstwert für Österreich überschritten, Maßnahmen sind zu ergreifen, um die Treibhaushase zu reduzieren. Ein Notfallprogramm muss dem Negativtrend wirksam entgegensteuern und den Vorgaben des Klimaschutzgesetzes entsprechen. Der öffentliche Verkehr muss weiter gestärkt werden, etwa durch günstigere Bahntickets oder eine höhere Pendlerpauschale für öffentliche Verkehrsmittel, auch das Aus für den Verkauf neuer Diesel- und Benzin-Motoren binnen zehn Jahren wäre eine ambitionierte Maßnahme.

Die neue Klimastrategie der EU bietet eine Chance für das Klima und künftige Generationen, es gilt zunächst zu klären, welches der von der Europäischen Kommission vorlegten Szenarien für die EU geeignet ist, um die Ziele der Pariser Klimakonferenz, allen voran die Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5 Grad, zu erreichen. Es besteht beim Zeitplan aber Handlungsbedarf, die EU muss bereits ab 2040 und nicht erst mit 2050 klimaneutral werden? Die EU-Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, müssen gemeinsam dafür sorgen, dass die Klimastrategie verbessert und nicht verwässert wird, indem die EU etwa das Klimaziel von 40 Prozent weniger Treibhausgasen bis 2030 signifikant anhebt.

Nach der Diskussion am Podium gab es eine Vielzahl an Fragestellungen und Anregungen aus dem Publikum, wobei sich zeigte, dass das Bewusstsein für grundlegende Änderungen vorhanden ist, dass es angesichts der drohenden Umweltschäden sowie existenzbedrohender menschlicher, wirtschaftlicher und politischer Katastrophen nicht genügt, den Klimawandel technologisch zu bekämpfen.

 

Empfehlung: Am 15. April diskutieren Julia Herr (SJ-Vorsitzende und SPÖ EU-Kandidatin auf Listenplatz 6), Andres Bernal (AOC Berater) & Helga Kromp-Kolb (Klimaforscherin) im Karl-Renner-Institut über den Green New Deal für Europa! 

Wie schaut Ocasio-Cortez' "Green New Deal" für Europa aus?

 

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