Die SPÖ legte im Juni 2017 einen Wertekompass vor, welcher die Grundprinzipien für die künftige Zusammenarbeit mit politischen MitbewerberInnen in Bundes- und Landesregierungen sowie auf Gemeindeebene definiert. Dringend notwendig ist eine grundsätzliche politische Standortbestimmung, die Orientierung gibt und deutlich macht, wofür die SPÖ steht und eintritt. Der Kriterienkatalog gibt diese politische Richtung vor, welche ethischen, moralischen, politischen Voraussetzungen andere Parteien und deren VertreterInnen zu beachten und zu erfüllen haben, um gemeinsam mit der SPÖ ein Stück des Weges gehen zu können. Die Präambel fasst die Eckpfeiler des politischen Selbstverständnisses der SPÖ zusammen, wonach die Würde des Menschen im Mittelpunkt sozialdemokratischer Politik steht. Entlang von sieben Themenfeldern, Österreichverständnis, Menschenrechte, Österreich als Teil der Europäischen Union, soziale Sicherheit, Gleichstellung der Geschlechter, Bildung sichert Chancengerechtigkeit sowie Freiheit der Kunst, wurden im fixen Teil des Kriterienkatalogs Grundsätze definiert, die von möglichen politischen PartnerInnen mitgetragen werden müssen. Der flexible Teil enthält konkrete politische Maßnahmen, die die SPÖ im Rahmen von Koalitionsverhandlungen für die nächste Legislaturperiode in einem Regierungsprogramm umsetzen möchte. Komplettiert wurde der Wertekompass durch Sanktionsmechanismen, die im Falle eines Verstoßes gegen die Prinzipien angewandt werden. Politische Rahmenbedingungen verändern sich, seit der Kanzlerschaft von Franz Vranitzky bis zum rotblauen Tabubruch im Burgenland war klar, egal wie unzufrieden man mit der Performance der SPÖ auch sein mag, stets war hundertprozentig Verlass darauf, dass die SPÖ wie zu Zeiten der schwarzblauen Koalition eher in die Opposition geht, als jemals mit der FPÖ zu paktieren. Diesbezüglich wurden mehrfach Parteitagsbeschlüsse, darunter ein einstimmiger und nach wie vor gültiger Beschluss des Bundesparteitages der SPÖ, gefasst, die eine Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ ausschließen. Nachdem Hans Niessl eine Koalition mit der FPÖ einging und auch andere SozialdemokratInnen in der politischen Praxis auf der jeweiligen politischen Ebene partiell mit der FPÖ kooperieren, auch ohne einen entsprechenden Parteitagsbeschluss, ist, kurz bevor sich Werner Faymann als Parteivorsitzender der SPÖ verabschiedete, die Debatte über das Verhältnis der SPÖ zur FPÖ entbrannt. Jener von der SPÖ beschlossene Wertekompass soll für etwaige Koalitionsgespräche nach der Nationalratswahl zur Anwendung gelangen.
Gemeinsam mit unseren Gästen möchten wir verschiedene Fragestellungen diskutieren: Wie kann eine fortschrittliche Politik für alle Menschen umgesetzt, auf eine Politik des sozialen Ausgleichs gesetzt, die Menschenrechte geachtet und die Demokratie ausgebaut werden? Wie können gerade in einer Krise und einer Zeit, in der rassistischer Populismus zunimmt, Lösungen und Antworten auf dringende Probleme und gegen das Ressentiment gefunden werden? Sollen sich Parteien nicht mehr über Koalitionsvarianten, sondern über Ziele und Koalitionsbedingungen definieren? Kann der Wertekompass verhindern, dass Hetze und Populismus in Regierungsämter gelangen? Warum schließt die SPÖ eine Koalition mit der FPÖ nicht mehr grundsätzlich aus? Hat die SPÖ die Position erpressbar gemacht? Sprechen aufgrund jener Unterschiede, die man eher in der Wortwahl als im Inhalt findet, gegen die ÖVP mehr inhaltliche Gründe als gegen die FPÖ? Müsste sich die ÖVP ändern, damit eine Wiederauflage der großen Koalition möglich ist? Was macht die SPÖ, wenn das Wahlergebnis statt möglichst vieler wünschenswerter Alternativen, wie etwa mit Grünen und Neos, nur eine schwarzblaue oder rotblaue Koalition ermöglicht? Bleibt nur mehr Rotblau, um Schwarzblau zu verhindern? Ist die SPÖ die einzige Garantie gegen die Wiederholung der schwarzblauen Missstände, zumal die Republik an den Folgen dieses Experiments immer noch leidet? Stimmt auch bei Rotblau, was für Schwarzblau gilt? Macht ein solcher Pakt die Hetze salonfähig? Warum wird die SPÖ nicht um jeden Preis für den reinen Machterhalt in der nächsten Bundesregierung vertreten sein? Ist das eine Frage der Themen oder der Taktik? Bleibt in Wien unabdingbar, was im nicht weit entfernten Eisenstadt unwichtig geworden ist? Ist die neue Festlegung der SPÖ erst ein Freibrief für Rotblau oder scheitert eine rotblaue Koalition bei der FPÖ am Fehlen eines klaren Bekenntnisses zu einem gerechten Sozialstaat und einer starken ArbeitnehmerInnenvertretung, einer unmissverständlichen Ablehnung von Diskriminierung, Ausgrenzung und rechten Hetzern, einer positiven Grundhaltung zum Friedensprojekt Europa? Widersprechen die Aufhebung der sogenannten Vranitzky-Doktrin und jener vorgelegte Kriterienkatalog nicht geltenden Parteitagsbeschlüssen? Rückt die SPÖ mit diesen formulierten Bedingungen für eine Koalition nicht von ihren antifaschistischen Grundwerten ab? Werden damit Grundsätze geopfert oder handelt es sich um die Besinnung darauf? Warum behält die Forderung, keine Koalition mit dieser FPÖ im Bund und im Land, ihre Gültigkeit?